Bewährungsraum Tonstudio

Das von RLC Jugend betreute „Jugendhaus Schwechat“ erlebte im Frühjahr 2023 eine technische Erweiterung. Nach mehreren Wochen, in denen Jugendliche tatkräftig beim Umbau halfen, konnte das Tonstudio ab April 2023 genutzt werden. Für einige der anwesenden Jugendlichen, war es das erste Mal, ihre Stimme aufzunehmen und über professionelle Studioboxen zu hören. Im Herbst 2023 fand dann die offizielle Eröffnungsfeier statt – hier nachzulesen im Bericht der NÖN:
„Das Schwechater“ hebt mit Tonstudio ab

Doch wozu gibt es ein Tonstudio im Jugendhaus?

Das Musik-Genre „Rap“ ist sehr beliebt unter Jugendlichen und eine weitverbreitete Jugendkultur. Rap beschäftigt sich mit Alltagserfahrungen, ebenso wie mit Träumen. Oft geht es dabei um explizite Themen wie Gewalt, Drogenkonsum oder Sex. Themen die Jugendliche beschäftigen, über die sie mit „den Erwachsenen“ oft nicht offen reden wollen (oder können). Gleichzeitig werden diese Themen im Rap oft sehr verzerrt und menschenverachtend dargestellt.

Wie aber mit dem Spannungsfeld „beliebt & verbreitet“ und „jugendgefährdende Inhalte“ umgehen?

Mit dem Tonstudio wollen wir Jugendliche dort abholen wo sie gerade hinhören: Bei der musikalischen Suche nach einem Weg zum Erwachsen werden.

Dafür haben wir gemeinsam mit der Wiener Einrichtung „Back Bone“ ein Tonstudiokonzept entwickelt. Es basiert auf dem risflecting® Konzept für rausch- und risikopädagogische Begleitung.

Die Devise heißt: Akzeptanz statt Tabuisierung.

Die Verherrlichung von Rassismus, Sexismus, Menschenfeindlichkeit, Gewalt… sehen wir als Gefahr für gutes Zusammenleben an… und als Gefahr für Jugendliche, wenn sie solche Texte von sich öffentlich machen. Etwa weil sie sich strafbar machen könnten, oder in der Schule dadurch Probleme bekommen.

Gleichzeitig ist es irrsinnig wichtig, über diese Themen zu reden – oder zu rappen. Denn sie kommen im Alltag von Jugendlichen vor. Manchmal sind sie Täter, manchmal Opfer, manchmal Zeuge.

Jugendliche dürfen im Tonstudio alle Texte aufnehmen, die sie geschrieben haben. Aus dem Studio heraus darf der „Track“ – das Musikstück – erst wenn er keine Gefahr mehr darstellt. Beispielsweise wenn über Gewalt im Alltag erzählt wird, aber sie nicht verherrlicht wird.

Dieses „Hindernis“, spornt Jugendliche dazu an, dass die Songs miteinander überarbeitet werden, um schlussendlich die Weitergabe der Dateien zu ermöglichen. Im damit verbundenen Reflexionsprozess werden Jugendliche animiert, sich mit den heiklen Themen zu beschäftigen: Und dies aus verschiedenen Perspektiven.

Das  gemeinsame Arbeiten an Texten ist ein großartiges Werkzeug zur Beziehungsarbeit. Als Jugendarbeiter:innen erhalten wir so einen tieferen Einblick in die Lebenswelt der Jugendlichen. Wir bekommen zu hören, was sie bewegt, was sie sich wünschen, was sie beängstigt. Wie tief dieser Einblick gehen kann, hat Achim Lernbass bereits vor einiger Zeit im risflecting® Blog beschrieben:
rauschblicke – auf der suche nach unterschieden

Betreut wird das Tonstudio von Rapper  BenJo (Benjamin Gstöttner). Der ausgebildete Sozialarbeiter vermittelt, wie ein kreativer Umgang mit den eigenen Gedanken und Gefühlen durch die Kunstform Rap gelingen kann. Einerseits im Tonstudio des Jugendhauses, andererseits in „Rapflection“ Workshops für Jugendliche und Erwachsene.

Das Tonstudio ist gratis und kann während den Öffnungszeiten des Jugendhauses genutzt werden.

Benjamin Gstöttner (Tonstudio)
g.gstoettner@roemerland-carnuntum.at

Martin Dworak (risflecting® focal point)
info@risflecting.eu

Martin Dworak

Seit 2009 Mitglied des risflecting-Pools mit Schwerpunkt auf Rausch und Risiko in Bewegung, seit 2021 Leiter des Studienwegs risflecting®.