rauschblicke – auf der suche nach unterschieden.

– ein tanz mit der sprache, der ritt auf dem beat –

…zuerst war da der beat. wie ein herzschlag.   

die umsetzung eines kleinen, inspirierenden zwischenspiels in unserer arbeit mit jungen menschen gestaltete sich sehr ungezwungen und experimentell. es ist noch nicht all zu lange her, fand statt, bevor brachial und allesübergreifend entwicklungen in ihre und unsere lebenswelten eingebrochen sind. das herz dieses unterfangens, die strategie, die von den jugendlichen hier angewand wird, ist aber eine, die sie auch durch diese zeiten trägt und aus ihnen selbst herauswächst. und immer wieder neuen nährboden findet. sie ist höchst flexibel.

in den räumen eines jugendzentrums wird ein gerät positioniert, das durch diverse schalter einen beat erzeugt, der durch einfache handbewegungen modifiziert werden kann und lautstark durch den raum hallt. in einer endlosen schleife. die beteiligten personen streifen durch den raum und an das gerät, sie werkeln dran herum, bis da dieser fertige beat ist, der für die nächsten 3 stunden die rolle einer begleitung übernimmt. die beteiligten haben etwas gemeinsames, rudimentäres erzeugt, auf dem sie jetzt reiten wollen. hier kann nun etwas wachsen.

sie nehmen jeweils ein stück papier. dann etwas, mit dem sich schreiben lässt. und während der beat durch den raum pulsiert, beginnen sie in ihren unterschiedlichsten arten und weisen zu schreiben. wie in trance. sie schreiben und schreiben, wirken in sich gekehrt, sind kaum zu stören. sie lächeln. sind konzentriert. fokussiert. als würden sie filme sehen. oder als ob sie schaulöcher entdeckt hätten. wohin auch immer.

entdecke den rausch, der anders ist

rauschhafte erlebnisse und erfahrungen sind unglaublich vielseitig und vielschichtig. es wäre ein jammer, den rausch reduzieren zu wollen. etwa darauf, dass wir durch die bloße zufuhr von diversen substanzen unsere wahrnehmung derart zu beeinflussen versuchen, dass wir vorübergehend den alltag einfach nur verlassen oder ihn vielleicht sogar ganz verleugnen. wenn dann rausch zum alltag wird – ist es dann noch rausch? 

die beteiligten selbst wollen dies jetzt gar nicht eindeutig beantworten, während der beat eindringlich pulsiert. ihre aufmerksamkeit wendet sich zunehmend von uns ab. begibt sich in andere gefilde. auf reisen.

risflecting® betrachtet rauschhafte erfahrungen und die mannigfaltigen wege, diese zu finden und zu erreichen, nicht nur anerkennend und bedeutungsvoll. sie sind grundlegendes bedürfnis. ein instrument, um gestärkt, mit neuen erfahrungen und lebensmut wieder im alltag anzukommen. es gleicht einer bunten suche. danach, diesen alltag nicht nur als vertrauten und gewohnten hafen wahrzunehmen, sondern immer wieder auch als neu oder verändert und voller möglichkeiten zu betrachten. das eine ohne das andere, die rauschhafte erfahrung einerseits und der alltag andererseits, sind alleine für sich oft – leidvoll. es ist ihr vielseitiges wechselspiel, das in lebendigkeit aufgehen will.

eine solche sichtweise und haltung erlaubt es nicht nur, in einem weiteren schritt näher darauf eingehen zu können, wie rausch überhaupt stattfindet. sondern auch seine unterschiedlichen formen und intensitäten wahrzunehmen – was er für die menschen alles sein kann – um es in einem verständisvollen und vertraulichen dialog zu thematisieren. einem offenen umgang, der es erlaubt, vor allem auch den eigenen blick auszuweiten. 

flow

„im flow sein“ – wenn ich die vielen erfahrungsberichte in wenigen worten zusammenfassen würde, die sich über jahre hin angesammelt haben, dann spiegelt der begriff „flow“ eine situative, momentane und intensive verbundenheit mit der unmittelbaren umwelt wider, die sich wie ein fließen anfühlt. in diesem fließen empfindet man sich selbst als höchst präsent und wirksam. man spürt sich. man ist verbunden.

es ist zumeist überaus unnötig, es jemandem erklären zu wollen. jede und jeder weiß es für sich insgeheim – irgendwie – und freut sich, wenn er auf einmal da ist. dieser flow. 

jemanden nach den eigenen assoziationen und strategien zu fragen, erweist sich immer als lohnenswert, weil es oft wegführt von eingebrannten vorstellungen und den begriff des rauschhaften ausweitet. nicht nur seinen wert und seine vielfalt anerkennt, sondern ihn zunehmend differenziert. und uns bereichert.

flow. wenn es auf einmal zu sprudeln und man sich zu freuen beginnt. euphorische gefühle auftauchen, weil gerade, in diesem moment, irgendwie alles so gut zusammenpasst. ob man sich nun einfach nur durch die landschaft bewegt. in welcher form auch immer. und seinen eigenen körper mit der umgebung spielen lässt. ob man mit fremden, bekannten oder geliebten menschen in ein wechselspiel, einen austausch, etwa ein gespräch verfällt, das einfach so, wie von geisterhand, selbst geschieht. sich gegenseitig fortsetzt und wachsen lässt. 

man wächst in den moment hinein. ganz ohne anstrengung. einfach so. man ist irgendwie kurz weg. und gerade deswegen voll da. das fehlt vielen jungen menschen, mit denen wir arbeiten, ungemein. dieses gefühl des daseins. der verbundenheit mit den menschen und dingen, die sie umgeben. sie suchen dieses gefühl. mannigfaltig. sie suchen es auf ihre eigenen, auf ihre vielen arten und weisen.

es gibt darüberhinaus unzählige menschen, die auch mit sich selbst in dieses wechselspiel treten. können und wollen. etwa durch die sprache. oder die musik. oder ihr mannigfaltiges zusammenspiel. sie beginnen zu schreiben. dichten und musizieren. sie schöpfen und kreiiern. sie veräußern etwas in sprache oder tönen und jagen es wieder in sich selbst hinein, wenn sie es lesen, aussprechen, singen. wenn sie damit spielen. es ist wie eine injektion. 

reflect. rap, ein instrument

hip hop, rap, ist nicht nur ein spiel mit wörtern und sprache. es ist ein möglicher zugang zu den menschen, dingen und verhältnissen, die uns umgeben. rap sucht verbundenheit.

so erzählten es uns jene teilgebenden jungen menschen, um die die idee du diesen zeilen hier eigentlich kreist. es geht nicht  nur um den „flow“, als ein ausgewiesener begriff der rapkultur selbst. jener „flow“, der den rythmus beschreibt, mit dem sich die sprache über den beat bewegt. unter flow wird hier viel mehr verstanden. 

ein kern. als wesentliches element eines rauschhaften erlebnisses und eine prozesshafte veränderung der eigenen wahrnehmung. vollkommen bewußt und reflektiert. losgelöst und frei. niemand kann einem die eigenen worte nehmen. 

sie beschreiben es in ihrer eigenen reflexion als rauschhaftes erlebnis, wenn sie schreiben. um es dann aufzugreifen. da ist auf einmal dieser drift, der sie wegtreibt, vom alltag. wenn sie diesen alltag im strom ihrer eigenen worte zum objekt der auseinandesetzung machen. ihn reflektieren.

rappen erweist sich nicht nur selbst als mittel, in einem rausch, einem rausch der wörter aufzugehen. es erweist sich auch als mittel, andere rauschafte erfahrungen zu benennen, zu kanalsieren, zu bewerten, nach- und auch vorzubetrachten. und so zu verarbeiten.

hip hop, rap ist ihr instrument. ein mögliches instrument, um zu driften. durch das, was uns als menschen umgibt. im moment aufzugehen. in purzelnden wörtern. sich in dem weiten feld zwischen alltag und rauschhaften zuständen zu bewegen, um balance und dadurch halt zu finden. auszubrechen und zurückzukehren. neues land wird erschlossen, inseln, auf denen man sich selbst und seine umgebung neu zu betrachten vermag. 

es entspricht durchaus jenem „reflect“, wie es im risflecting®  – Kosmos verstanden wird – und dort ja nicht erfunden wurde. die fähigkeit, (rauschhafte) erlebnisse als erfahrungen sinnhaft in den alltag und die eigene lebenswirklichkeit zu integrieren, wird aber besonders dort als kulturtechnik hochgehalten und kultiviert. sie soll vielmehr aber auch entdeckt, herausgestrichen und betont werden, wo immer sie aufblitzt und längst schon stattfindet. darauf hinzuweisen, sie freizulegen ist wesentlicher teil einer haltung, die einen gemeinsamen kern in der vielfalt wahrnimmt. und damit verbundenheit mit anderen erfahrungs- und umsetzungsfeldern schaffen möchte.

momentaufnahme

man könnte ein beliebiges thema nennen und sie würden durch ihre worte einfach so hineinfallen. es ist eine leidenschaft. sie saugen auf und beginnen zu schreiben, um es dann wieder aufzugreifen. in unserem fall haben wir als impuls ganz einfach die frage gestellt: was ist rausch und sucht für euch? was lösen diese begriffe in euch aus? 

in einem zeitfenster von knapp drei stunden war da der beat, die texte, unmittelbar dann die aufnahme, alles direkt und vorort. one take. es verbleibt ein kurzes intermezzo. 

gemeinsam ausgewählte fragmente aus drei köpfen werden mit professioneller unterstützung in wenigen minuten in einen fertigen song kanalisiert, der festhält, was gemeinsam mitgeteilt werden will. die drei jungen herrn, zwischen 15 und 17 jahren alt, wollten, dass er „rapsüchtig“ heißt. dieses kleine werk kann durch angefügten link angehört werden. 

wenn man es sich anhört, dann hat man sich das gefälligst mit kopfhörern anzuhören, lassen sie uns nachdrücklich wissen. „lass den beat in dein herz“.

sie sind durchwegs selbstkritisch und eigentlich niemals zufrieden. aber das ist in ihren augen nicht unbedingt zweck der sache und würde ihr driften nur blockieren, wenn sie mit gedanken und worten tanzen. zu dem beat. da sind keine zweiten versuche, wenn es um DIESEN moment geht. den moment, der davor und danach verbindet. den moment, in dem man sich verbunden fühlt. mit dem beat. sie sind geritten. auf dem beat. mittels ihrer eigenen worte. da war dieser flow. es ist aus ihnen herausgesprudelt. „was soll ich dir da erklären?“

durchaus wird versucht, diesen strom der wörter durch substanzkonsum zu induzieren, das erzählen sie uns ganz offen, was aber nur bedingt und niemals selbstverständlich zu gewünschten erlebnissen führt. es kann natürlich auch super klappen. es ist ein ausprobieren. instrument, zugang und eigentliches mittel bleibt das eigene wort. das gesprochen werden will. und der beat, die begleitung. wir fragen genauer nach. „scheißegal – wenn ich rappe, dann bin ich weg“.

kontext schaffen

sie zeigen uns anschließend ihre notizücher, die sie immer mit sich herumtragen, in die sie wild hineinschreiben, wenn der flow durchbricht. alleine. in der gruppe. an der haltestelle. wenn sie durch die gegend schlendern, in alltäglichen, bedeutungsvollen, schicksalshaften, traurigen oder schönen momenten. oder mitten in der nacht. wenn sie plötzlich aufwachen und einfach zu schreiben beginnen. um damit dann wieder in den alltag zurückzukehren.

nachzufragen, wo junge menschen ihren rausch und flow finden, abseits von etablierten ideen des rauschhaften, dafür möglichkeiten und kontext zu schaffen, ist ein lebensnaher zugang zu diesen menschen und ihrer kreativität. notwendig. und unglaublich bereichernd. für alle beteiligten.

bei aller erfahrung werden wir durch die auseinandersetzung mit den strategien von menschen in überaus schwierigen lebenssituationen immer wieder von neuem daran erinnert, dass eben jene strategien essentiell sind, die ein wechselspiel zwischen alltag und außeralltag ermöglichen – einen lebendigen blick auf das eigene dasein.

„rap gibt mir eine gewisse kraft… in schweren  zeiten, durch die ich gegangen bin und immer noch gehe… ohne rap hätt´ ich mich längst schon von der brücke geworfen“.

anti-jannik, 16

audiotrack „rapsüchtig

blog autor:
achim lernbass
jugendsozialarbeiter bei streetwork region oberes mürztal (ISOP)

Achim Lernbass