risflecting® Newsletter 2/2022

Liebe Leser:innen,
 
Selbstwirksamkeit zu erleben gehört zu den wichtigen Erfahrungen unseres Lebens. Daraus die Erwartung abzuleiten, auch in Zukunft durch das eigene Engagement, Einfluss auf das eigene Leben und die Welt um einen herum zu haben, ist wesentlicher Bestandteil von Gesundheit.
Etwas altmodisch könnte man auch sagen: aus dem Erleben Hoffnung für die Zukunft schöpfen. Hoffnung bedeutet, den Blick nach vorne zu heben, in der Überzeugung, dass es doch eine Chance gibt, durch die Krise hindurch zu einer neuen Stabilität und einem guten Leben zu kommen. Vor allem dann, wenn es nicht rund läuft und sich die Krisen zu stapeln beginnen.
 
Wozu jetzt noch risflecting®?
Hat risflecting®, die pädagogische Begleitung von Rausch und Risiko, noch Platz, wenn von überall Gefahren drohen, die weit außerhalb unserer individuellen Möglichkeiten liegen?
Ja.
 
Einerseits mit dem Blick aufs Risiko, denn die Erfahrung, mit vollem Elan sich Herausforderungen zu stellen, die eigene Komfortzone auszudehnen und dabei in den Rausch des Tuns einzutauchen, kann auf vielfältige Weise gemacht werden. Als Lernfeld am Besten in Bewährungsräumen, die so gestaltet sind, dass sie Risiko ermöglichen und Gefahr begrenzen.
 
Andererseits mit dem Blick auf den Rausch, der aus dem Alltag heraustreten und die Welt auf ganz andere Weise erleben lässt. In einen gesunden Rahmen gebettet, ist der Rausch eine transformative Kraft, die es ermöglicht, Potentiale zu entfalten, Beziehungen zu wagen und Neuland zu entdecken.
 
Bei aller Versuchung zu individualisieren: 
Gelungene Rausch- und Risikobalance ist ein gesellschaftliches Projekt, das nicht isoliert gelingt, sondern Miteinander (mit-Anderen). Die Orientierung an der Lebenswelt der jeweiligen Dialoggruppe und das damit verbundene Bestreben anknüpfungsfähige Angebote zu bieten, braucht die Ergänzung durch gesellschaftliche und strukturelle Maßnahmen.
Das zeigen auch die Ergebnisse der großen Ö3 Jugendstudie “Generation Krise”. Die Trennlinie zwischen Zukunft als Bedrohung und Zukunft als Chance, geht stark mit den Rahmenbedingungen einher.
Ob sich Jugendliche als “Generation Dauerkrise” (53%) oder “Generation Aufbrauch” (46%) verstehen, “[…] ist eng mit verfügbaren Ressourcen verbunden: Junge Menschen ohne finanzielle Sorgen, mit universitären Ausbildungen, bei guter psychischer Gesundheit und mit für sie wahrnehmbarer gesellschaftlicher Unterstützung vertreten sie [die Generation Aufbruch] besonders häufig.” (Ö3 Jugendstudie: …Generation Krise!?)
Oder wie Gerald Koller schreibt: “…guter Rausch braucht eine gute Unterlage – und die ist allemal noch der gesellschaftliche Kontext, in dem wir leben und handeln.”
(risflecting® Konzept: Abschluss und Ausblick)
 
 Netze knüpfen
Individuelle Balancefähigkeit mit Strukturellem Halt zu verbinden ist das Ziel von MORLA, das als Projekt zur “Entwicklung von kommunalen Gesundheitsstrategien im Risiko” gestartet ist. RLC Jugend und Suchtprävention Rheinland-Pfalz sind hier gemeinsam tätig, um in vielfältigen Dialogen und Aktionen eine kommunale Gesundheitsstrategie wachsen zu lassen, in der alle Beteiligten einbezogen werden, um die Lebensqualität vor Ort zu verbessern. Das risflecting®-Studienwegsteam darf einen Teil dieser Entwicklung begleiten.
 
Aktionstage Glückspielsucht
Für den diesjährigen Aktionstag zur Glückspielsucht, wurde vom LSJV Rheinland-Pfalz allen Regionalen Fachstellen für Glücksspielsucht und Medienabhängigkeit im Land ein Präventionspaket an Materialien und Methoden zur Verfügung gestellt, um das Suchtpotenzial von Glücksspiel aufzuzeigen. Näheres dazu, samt Methodenblatt findet sich im risflecting®-blog: “Aktionstag gegen Glückspielsucht 2022 – Rheinland-Pfalz
 
Spielerisch ins Thema
Das Spiel ist eine Möglichkeit, einen Raum zu öffnen, der beeinflussbar ist, Menschen zusammenbringt und Erlebnisse schafft. Menschliches Spiel findet sich praktisch überall und ermöglicht für gewisse Zeit, in eine andere Welt zu treten… und von dort etwas mitzubringen. Sehr lesenswert ist dazu der Blog von Ellen Beate Sandsetter, einer Pionierin der Forschung zu “risky play”.
Zwei Umsetzungen das Spiel auf sehr unterschiedliche Weise nutzen, um Rausch- und Risikobalance (be)greifbar zu machen, stellen wir im risflecting® Blog vor:
 
Keep the Balance – bringe Risiken in Balance ….
Maria Greussing berichtet, wie sie und ihre Kolleg:innen gemeinsam mit fünf Mädchen und indischen Kinderparlamenten ein Lernspiel entwickelt haben, das als hilfreiches Tool für die risflecting®-Arbeit dienen kann und dabei auch noch Spaß macht. Gemeinsam lernt die Gruppe spielerisch z.B. Risiken einzuschätzen und sammelt Erfahrungen im Entscheiden in der Gruppe, sodass niemand übergangen wird und alle gehört werden.
Mehr dazu im Artikel “Keep the balance” im risflecting®-blog und unter www.keepthebalance.games

RAUSCHscheiben und RISIKOwürfe
Die RAUSCHscheibe, wurde von Frank Heider und Martin Dworak auf Basis des risflecting® Modells entwickelt und durch das Land Niederösterreich gefördert. Sie ist ein Werkzeug um niederschwellig und spielerisch ins Gespräch über Rausch und Risiko zu kommen. Was dahinter steckt und wie sie genutzt werden kann, findet sich im risflecting®-blog: RAUSCHscheiben und RISIKOwürfe

Bewegungsrausch Parkour
Selbstwirksamkeit erfahrbar zu machen, erfordert Risiko zu ermöglichen. Denn dort wo das eigene Handeln wesentlichen Einfluss auf den Ausgang einer Situation hat, entsteht die Motivation, sich anzustrengen und Hindernisse zu überwinden. Einen solchen Risikoraum schafft die Bewegungskunst Parkour, indem Sie die Empfehlung Erwin Ringels (Begründer der Suizidprävention) wörtlich nimmt:

„Springen Sie sooft Sie können, über Ihren eigenen Schatten.”

Im umfangreichen Skriptum “Parkour – risflecting® – Jugendarbeit” ermutigt Martin Dworak neue Wege in der Stadt zu suchen und innere wie äußere Hindernisse als stärkende Herausforderungen zu nutzen.
 
Legalisierung & Rauschlandschaften

Welche Wege in einer neuen Rauschlandschaft möglich sind, die vor dem Hintergrund der in Deutschland geplanten kontrollierten “Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken” entsteht und welche Rolle die Befähigung zu Rausch- und Risikobalance dabei spielen kann, erkundet Martin Dworak im Beitrag: “Rauschlandschaften erkunden – risflecting ® als Orientierungshilfe auf dem Weg zur Rausch- und Risikobalance”. Erschienen im Journal “rausch – Wiener Zeitschrift für Suchttherapie”.
 
Studienwege risflecting®
Zwei risflecting® Studienwege fanden dieses Jahr einen guten Abschluss. Der im Jahr 2020 begonnene Studienweg mit Gerald Koller und Martin Dworak, verlangte den Studienreisenden – Covid19-bedingt – eine Marathondistanz ab, die ganz der afrikanischen Weisheit “Willst du weit gehen, geh gemeinsam” entsprach.
Gemeinsam gehen war auch im Studienweg 2022 ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg, bei dem erstmals das neue Referent*innen-Team (Nina Roth, Niko Blug, Thomas Tatosa und Martin Dworak) in Rausch und Risiko – und zurück – begleitete.
Vielen Dank an die LZG-Akademie, die uns dabei mit KnowHow, Personal und Infrastruktur unterstützt hat.

Studienweg 2023
Die Termine für den Studienweg 2023 sind nun fixiert und wir durften lernen, dass die Inhalte mehr Zeit brauchen. Daher wird der Studienweg nun um einen Tag erweitert und umfasst 104 Einheiten…
…und noch eine Neuerung, weil es dem Studienweg gut tut und es uns gut tut:
Nina Roth (Orga) und Martin Dworak (Inhalt) werden für die zukünftigen Studienwege gemeinsam den roten Faden spinnen der von den Basics in Modul 1 bis zum Poolmeeting nach der Zertifizierung führt.

Apropos Poolmeeting
Thomas Tatosa und Nina Roth gestalten weiterhin den Rahmen für Begegnungen, Überraschungen und die eine oder andere Rauscherfahrung. Dieses Jahr führte es uns in die Nähe Hamburgs und bot Gelegenheit zum Philosophieren und Ausprobieren. Nina Roth lässt die Begegnung dort mit ihrem Rückblick auf das Poolmeeting 2022 lebendig werden. Soviel sei verraten: die Wirbelwindbande im Alter von 0 – 16 Jahren, gab reichlich Möglichkeit die Theorie an der Praxis zu testen 😉
Das Poolmeeting ist für alle Absolvent*innen des Studienwegs + Familie/Partner zugänglich.
 
Wie immer gilt: bei Fragen, Ideen, Blogbeiträgen… jederzeit und gerne an: info@risflecting.eu

Alles Liebe
Martin Dworak
RLC Jugend
risflecting® focal point & inhaltliche Leitung Studienweg

Martin Dworak

Seit 2009 Mitglied des risflecting-Pools mit Schwerpunkt auf Rausch und Risiko in Bewegung, seit 2021 Leiter des Studienwegs risflecting®.