risflecting® Jahresrückblick 2024

Rauscherleben und Risikosituationen sind wichtiger Teil unseres Menschseins, für den es einen Rahmen zu schaffen gilt… sonst bahnen sich diese Bedürfnisse selbst einen Weg.
Dafür gilt es Räume zu öffnen…

…in denen Rausch- und Risikobalance gelernt werden darf und gleichzeitig die Grenze zur existenzbedrohenden Gefahr gewahrt wird.

Die zunehmende Monetarisierung von intensivem Erleben durch Algorithmen, technische Mittel – teils auch in Verbindung mit suchtfördernden Mechanismen – und neue Substanzen/Konsumformen, fordert uns dabei heraus, diese Risikoräume offen, zugänglich und anknüpfungsfähig zu halten.

An dieser Stelle vielen Dank an das Netzwerk risflecting® pool und die Kooperationspartner des risflecting® Studienwegs für das Vertrauen und die gemeinsame Arbeit daran, Menschen Wege zur (Selbst)Wirksamkeit zu eröffnen…

„Ab ins Abenteuer und zurück…“ wie es die bOJA Tagung 2023 treffend betitelte.

Ich freue mich, dass auch 2024 wieder einige sehr konkrete Umsetzungen aus unserer Kooperation erwachsen sind, von der Klimatour über MORLA bis hin zu Juwolak-Fachtagung & IFP Fortbildung.

Aber auch außerhalb des Studienwegs und direkten Kooperationen hat sich einiges getan.
Um ehrlich zu sein: in diesem Rückblick bin ich erstaunt, wie viel risflecting® in dieses Jahr gepasst hat.

Das war nur möglich, weil viele engagierte Menschen aus dem risflecting® pool daran gearbeitet haben. Einige davon sind hier explizit erwähnt und finden sich auch hier:
Wir setzen risflecting® um – risflecting®
Vielen Dank an das lebendige Netzwerk risflecting® pool!

Weiterbildung für Fachkräfte

Im Studienweg risflecting®…
Der risflecting® Studienweg2024 fand im Herbst einen guten Abschluss. Der kommende Studienweg2025 ist bereits gut gebucht und wird im April 2025 starten.

Wie schon beim letzten Mal angekündigt, ist dieses Jahr Georg Schwaighofer als Referent für Festkultur im risflecting®-Studienweg gut gelandet. Hoch abheben und gut landen sind generell seine Expertise, egal ob beim Paragliden als Fluglehrer (siehe Fachartikel) oder als Teil des Partykollektivs “Gans Anders”.
Das Studienwegsteam besteht nun aus:
Nina Roth & Martin Dworak (gemeinsame Leitung), Niko Blug & Georg Schwaighofer.

…und darüber hinaus
Auch dieses Jahr war das fachliche Interesse hoch, Rausch- und Risikobalance in Theorie und praxistauglichen Ansätzen kennenzulernen.
In Kooperation mit Fortbildungsträgern und Vereinen fanden Workshops & Vorträge für Expert:innen statt, die dem Rechnung trugen:

Fachstelle für Suchtprävention Niederösterreich, JUWOLAK-Fachtagung, Institut für Freizeitpädagogik Wien, Suchthilfe Kärnten, NETZ:werk-OJA-Kärnten, Lehrgang Naturpädagogik Kloster Neustift, Österreichischer Alpenverein, Arbeitskreis Noah.

Zoom-Poolmeeting
Seit 2023 gibt es zusätzlich zum jährlichen Netzwerktreffen risflecting® poolmeeting, online Treffen mit Fachinput, Diskussion & Austausch. Diesmal zum Thema “Trauma & risflecting®” und die Möglichkeiten und Grenzen von rausch- und risikopädagogischer Begleitung in diesem Kontext. Achim Keßler sorgt dafür, dass diese Treffen stattfinden.

Wirkungsfelder

Ebenso wichtig ist es aber auch, direkt in den Wirkungsfeldern zu landen und dort die Haltung von Rausch- und Risikobalance zu konkreten Handlungen werden zu lassen. Im folgenden ein paar Einblicke auf wie unterschiedliche Weise das gelingt

Klimatour
Eines der großen gesellschaftlichen Themen aufgreifend, machte der Österreichische Alpenverein eine Dialogtour zu ökologischer, ökonomischer und sozialer Klimabalance. Einer der Stopps war im Bildungszentrum Bruck an der Leitha, in einer Kooperation aus Schulen (HAK, BRG), RLCjugend und Club of Rome. Der Rahmen wurde nach risflecting® Modellen gestaltet und unterstützte das Dialogformat mit über 50 Teilgebenden. Gerade die Diskussion auf Augenhöhe zwischen unterschiedlichen Altersgruppen, ideologischen Überzeugungen und Lebenswelten ist ein Risiko, das es sich lohnt einzugehen… und in einer Gesellschaft der “großen Gereiztheit” (Pörksen) lebensnotwendig.

Pestalozzi Kinderdorf
Das Pestalozzi Kinderdorf legt einen neuen Schwerpunkt auf die Wichtigkeit von Rausch und Risiko im Aufwachsen und Erleben von jungen Menschen… und die Notwendigkeit bei Abenteuer, Spiel und Fest einen gesunden Rahmen dafür zu bieten. Niko Blug begleitete den Prozess, an dem auch Mitglieder des risflecting® pools (Jan Geiselhart & Katrin Görke) vor Ort aktiv wirken.

Jugendarbeit Mittleres Selzthal
risflecting® mit Klettern zu verbinden, gelingt nicht nur dem Alpenverein, sondern auch Niko Blug in der Mobilen Jugendarbeit Mittleres Selzthal, mit der Jugendlounge on Tour. Weitere risflecting® Umsetzungen sind die Abenteuerfreizeit “#into the wild”, das Graffiti Projekt “Wir machen es schick” und der Jugendgarten als Risikoraum in dem Erfahrung ermöglicht wird.

Jugendintensivbetreuung
Rausch- und Risikobalance in der intensiven Begleitung junger Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu nutzen, hat Martin Walther gewagt und den Ansatz als interne Fortbildung für seine Kolleg:innen in Oberösterreich zugänglich gemacht.

Regionale Gesundheitsstrategien: MORLA
Das mehrjährige Kooperationsprojekt MORLA zur regionalen Entwicklung von passgenauen kommunale Gesundheitsstrategien, fand erfolgreichen Abschluss. MORLA wurde durch die grenzüberspannende Zusammenarbeit von LSJV (Rheinland-Pfalz) & RLCjugend (Niederösterreich) getragen. An der Umsetzung im Projektverlauf waren maßgeblich Fachkräfte tätig, die auch Teil des risflecting® pools sind. (Christoph Ebner, Nina Roth, Susanne Wittmann, Achim Keßler, Thomas Tatosa, Gerti Taferner, Martin Dworak)
risflecting® war sowohl inhaltlicher Teil, als auch gestaltendes Element der jeweiligen Treffen. Der dazugehörige Bericht wird 2025 erscheinen.


RAK Jahrestagung
Eine weitere Kooperation, die aus dem risflecting® pool entstanden ist, ist das von Elli Mursch und Nina Roth entwickelte Tagungskonzept „Sexualität und Suchtprävention“, in der Risikoelemente enthalten sind. Im September wurde das Konzept als interaktive Tagung für die Regionalen Arbeitskreise Suchtprävention in Rheinland-Pfalz umgesetzt mit sehr positiver Resonanz. Im Vordergrund steht die Botschaft der Annahme des eigenen Körpers, die Unterscheidung von Entladung und Genuss und dem konstruktiven Risiko der Sexualität

Regionale Jugendarbeit Römerland Carnuntum Jugend
Aber wie wirkt risflecting® in der regionalen Jugendarbeit? Am besten dann, wenn Haltung und Handlung Hand in Hand gehen und direkt (be)greifbar werden. Das versuchen wir in der Arbeit bei Römerland Carnuntum Jugend auf verschiedenen Ebenen umzusetzen:

● Körperliche Herausforderungen:
Durch Skalierung und Ritualisierung werden Räume geschaffen, in denen Jugendliche ihre Kräfte messen können. Dabei kann es „ordentlich zur Sache gehen” und gleichzeitig aufeinander geschaut werden.
● Partys und Feste:
Die Gestaltung von Jugendhaus-Partys und die Begleitung von Festen orientieren sich an den Grundlagen der risflecting®-Festkultur. Das unterstützt Jugendliche abzuheben und auch wieder gut zu landen.
● Im Tonstudio:
Jugendliche dürfen im Bewährungsraum Tonstudio alle Texte aufnehmen, die sie geschrieben haben. Aus dem Studio heraus darf der „Track“ – das Musikstück – erst wenn er keine Gefahr mehr für sie (und uns) darstellt. Beispielsweise wenn über Gewalt im Alltag erzählt wird, aber sie nicht verherrlicht wird.
● Abenteuer-Ausflüge:
Regionale Ausflüge wie “Ab in die Wüste” verbinden Risikoerleben und Chilloutphasen, zu einem Auf und Ab, das von Jugendlichen selbst mitbestimmt wird und Mit-Verantwortung fördert.
● Hausregeln und Grenzüberschreitungen:
Mit Hilfe des Zonenmodells werden Regeln reflektiert und gestaltet. Das führt zu überraschenden Erfolgen, besonders im Umgang mit Jugendlichen, die in anderen Systemen als „schwierig“ gelten oder Hausverbote haben.
● Beratung und Coaching:
Der Werkzeugkoffer für Beratungen wurde erweitert – mit Modellen zur Gefährdungseinschätzung und Gesprächsgestaltung. Auch das Beratungscoaching beinhaltet nun risflecting® als ein Bezugsmodell.
● Fort- und Weiterbildungen:
Von der Schwelle über die visuelle und haptische Gestaltung des Themas im Raum bis hin zur interaktiven Reflexion – risflecting® bildet die Grundstruktur unserer Fortbildungs- und Vernetzungsveranstaltungen.

Fachartikel


Paragliden
Wie risflecting® dazu beitragen kann, beim Gleitschirmfliegen abzuheben und wieder gut zu landen legt Georg Schwaighofer dar – auch im risflecting® Blog nachzulesen.
(G. Schwaighofer: Mentale Vorbereitung im Gleitschirmfliegen. in: DHVMagazin 251 Jänner/Februar 2025. S. 54 – 58)

Rausch Rahmen gebenCannabis Freigabe in Deutschland
Ein weiterer Fachartikel zu risflecting® mit Blick auf die kontrollierte Freigabe von Cannabis in Deutschland ist dieses Jahr im Sammelband “Mit Cannabis Leben” erschienen.
(M. Dworak: Dem Rausch einen Rahmen geben – risflecting® als Orientierungshilfe für Rausch- und Risikobalance. in: H. Schmidt-Semisch, K. Thane, H. Stöver (Hrsg.) Mit Cannabis leben Ein Leitfaden für Konsument:innen, Eltern, Lehrer:innen und Fachkräfte in der Drogenhilfe. S. 102 – 114. Fachhochschul Verlag.)

Scheitern – ge-scheiter werden

Aber auch Scheitern war ein Teil unseres risflecting® Jahres:

Visualisierungspaket
So ist hat sich das angekündigte Visualisierungspakt verzögert. Einerseits weil das umfassende Zusammentragen von bereits vorhandenen Grafiken und deren Verknüpfung mit dem bestehenden Reiseguide deutlich umfangreicher ist als anfangs gedacht. Andererseits, weil uns die Zeit davongallopiert ist. “Scheitern macht gescheiter” sagte Gerald Koller mal, dementsprechend haben wir nun ein Team geformt das sich um die Visualisierung kümmert.
Im Visualisierungspaket werden alle zentralen Modelle und Begriffe von risflecting® als Grafiken umgesetzt und dem risflecting® pool zur Verfügung gestellt. Diese sind als Format sowohl digital als auch in gedruckter Form verwendbar. Das ermöglicht eine einfachere Umsetzung im eigenen Handlungsfeld.
Das fertige Package wird beim poolmeeting 2025 vorgestellt werden und dann digital in den gesamten risflecting® pool versandt.

risflecting pool 2024
Auch der risflecting® pool 2024 war gewissermaßen ein Scheitern – er ist nicht zustande gekommen.
… aber wir lernen daraus und für 2025 läuft Organisation und Umsetzung jedoch bereits mit einem neu aufgestellten Team (Christian Pöschl, Christian Schaack, Georg Schwaighofer & Martin Dworak) aus dem risflecting® pool. Wir freuen uns mit dem Schwerpunkt Festkultur in Obernberg zu sein – dem Ort, der seit Jahren das Modul 2 des Studienwegs beherbergt. Im Anhang findet ihr die Einladung, die an alle Mitglieder des risflecting® pools erging.

Ausblick auf 2025

eLearning
LSJV und RLCjugend arbeiten an der Umsetzung eines eLearnings, um risflecting® Basics einfacher für Fachkräfte zugänglich zu machen und erste Schritte in der Auseinandersetzung mit Rausch- und Risikobalance zu beginnen. Stimmigerweise werden die Audioparts im Tonstudio_schwechat eingesprochen, dessen Konzept auf risflecting® basiert und wöchentlich Jugendlichen offen steht.

Bum Zua Parkour/Rauschkoffer
Der “Bum Zua Parkour” (BZP) ist ein Dialogtool, zur Auseinandersetzung mit Rausch, Risiko und der Rolle von (guten) Freund:innenen. Ursprünglich für die Dialogwoche Alkohol entworfen, gehen wir thematisch in die Breite… denn auch jenseits der Substanz Nr.1, suchen junge Menschen Rausch & Risiko. Dabei wollen wir in enger Zusammenarbeit mit regionalen Partner:innen den BZP so anpassen, dass er auch für Gruppenleiter:innen etc. anwendbar ist und so zusätzliche Breite gewinnen kann.
Der BZP wird von RLCjugend mit der Unterstützung des Jugendreferats des Landes Niederösterreich entwickelt.

…und mit dem Blick nach vorne, darf dieser Rückblick enden und die nächste Entwicklungsschleife von risflecting® beginnen.

Martin Dworak
risflecting® focal point
Leitung Studienweg risflecting®
Fachliche Leitung „Beratung“ bei RLCjugend
https://roemerland-jugendinfo.at/

Martin Dworak

Seit 2009 Mitglied des risflecting-Pools mit Schwerpunkt auf Rausch und Risiko in Bewegung, seit 2021 Leiter des Studienwegs risflecting®.