Die Mediatisierung, sehr geehrte LeserInnen, hat es schon immer gegeben, hat es gegeben, seitdem es Menschen gibt, seitdem Menschen kommunizieren, und im Zuge der Mediatisierung wurden immer „neue Medien“ mit Argusaugen betrachtet, ob es nun eine kolportierte Lesesucht war, ob es die medial verbreitete (und wissenschaftlich nicht fundierte) Alleinschuld von „Ego-Shootern“ an Schulmassakern war oder die falsch prognostizierte Vereinsamung von Menschen, da sie sich nur mehr digital treffen würden.
Neben der Mediatisierung steht die Digitalisierung. Diese beginnt mit den ersten digitalen Geräten, mit den ersten Geräten, die mit dem binären System, mit Null/Eins kommunizieren.
Und diese Digitalisierung hat ebenso Bedenken, Fragen, Sorgen aufgeworfen. Vor allem Bedenken, Fragen und Sorgen von Personen, die sich, aus welchem Grund auch immer, nicht mit den „neuen Medien“ befasst hatten.
Und dieser (angebliche) „gap“ zwischen jenen, die solche Medien nutzen und jene, die diesen negativ gegenüberstehen, wurde im Jahr 2001 von Marc Prensky mit „digital natives“ und „digital immigrants“ benannt.
Die „natives“ sind jene, die in ihrem Umfeld vom ersten Tag ihres Lebens an digitale Medien um sich haben und diese auch zu nutzen lernen. Die „immigrants“ werden als solche Personen genannt, die im Laufe ihres Lebens die digitalen Medien erst kennen lernen mussten, sollten, durften.
Und dieses Konzept der „digital natives“ und „digital immigrants“ versucht nun, den „natives“ mehr Medienkompetenz zuzusprechen, mehr digitale Kompetenz, mehr Wissen im digitalen Bereich, also einen Vorsprung im digitalen Bereich gegenüber den „immigrants“.
Kürzlich konnte ich die einleuchtende Metapher und Erklärung zu den beiden Begriffen lesen, dass man das Kennenlernen, das Lernen von Digitalität mit dem Erlernen einer Sprache umschreiben könnte. Dies lässt die Begriffe zwar einleuchtender erscheinen, jedoch kann man den Vergleich nicht 1:1 umsetzen, denn wem wird nun die digital grammatikalisch, semantisch oder phonologisch perfekte Muttersprache zugeschrieben, von der ich dann als „digital native“ lernen kann? Der Gebrauch einer Sprache, von den ersten Tagen weg, ist das Optimum, um diese dann auf „native speaker“-Niveau zu beherrschen. Digitale Plattformen werden jedoch nicht durchgehend verwendet, benutzt, „gesprochen“, denn genau hier wäre das Problem, wenn unsere Kinder, unsere Jugendlichen (und Erwachsene), nur mehr im digitalen Raum unterwegs wären, ohne einen Ausgleich zu schaffen, ohne eine Alternative zu haben, ohne ein Gegengewicht zur Digitalisierung zu finden.
Es wird zwar in diversen Medien sehr unreflektiert, sehr oberflächlich, wissenschaftlich nicht fundiert, immer wieder darüber berichtet, dass Kinder und Jugendliche nur mehr online unterwegs wären, jedoch gibt es hier einerseits keine validen Daten, um diese Behauptungen verifizieren zu können, andererseits passieren Sachen wie soziale Bindungen, Flowerlebnisse, Risikoerfahrungen und auch Rauschsituationen im digitalen Raum.
Das Konzept der „natives“ und „immigrants“ ist zwar „nice to know“, es gibt aber wissenschaftliche Kritik an dieser Einteilung. Es gibt „natives“, die sich nur sehr wenig im digitalen Raum bewegen, es gibt an der gegenüberliegenden Seite „immigrants“, die sehr (medien)kompetent sind.
Es gibt in diesem Kontext noch einen weiteren Begriff, den der „digital naives“. Diesen wird nun (von erwachsenen Personen, von den „digital immigrants“) unterstellt, dass sie eine gewisse Medienkompetenz besitzen, jedoch in bestimmten Bereichen eine gewisse Naivität.
Dazu muss grundsätzlich ausgeführt werden, dass es sehr überheblich scheint, wenn man (vermutlich unwissend) versucht, bestimmte Personengruppen zu kategorisieren und damit zu klassifizieren. Diesen unterschiedlichen Gruppierungen, diesen unterschiedlichen Einteilungen fehlt jede Basis auf Sinnhaftigkeit und „Usability“.
Jede dieser Kategorisierung hat in den Augen jener, die es nicht betrifft (meist die Erwachsenen oder die Eltern) einen negativen Beigeschmack, sobald eine Person (meist die Jugendlichen oder Kinder) so eingeteilt worden sind…..“der/die kann das nicht, weil eben….“digital native/immigrant/naive“….“
Aber, warum sollte Naivität auch Negativität bedeuten. Der Wortursprung ist das französische naif, das übersetzt „kindlich, ursprünglich, harmlos“ bedeuten und jeder Naivität wohnt doch eine gewisse Neugier innen. Eine Neugier, neue (digitale) Welten kennen zu lernen, neue (digitale) Methoden auszuprobieren, neue Möglichkeiten zu erfassen und alternative Denkmuster zu erkennen.
Und diese Neugier fehlt uns, um wieder den sehr einseitigen Begriff zu verwenden, „digital immigrants“ und fehlt uns eben im digitalen Raum, im Raum, der in unserem Leben immer größer wird (ob man nun will oder nicht).
Anstatt sich gegenseitig mit unnötigen Bezeichnungen zu brandmarken, sollte man gemeinsam Bereiche und Welten erforschen und im Sinne der Kulturtechniken des „risflectings“ konsumieren.
Dieses Gemeinsame wurde vom Autor selbst, gemeinsam mit seinem 14jährigen Sohn, im Zuge einer Seminarreihe für das Katholische Bildungswerk praktiziert. Im Laufe des heurigen Jahres gab es (und gibt es vermutlich ab Herbst wieder), fünf Vorträge zu unterschiedlichen Themen, wo Vater und Sohn gemeinsam online informiert und vorgetragen haben. Und genauso wie es eine Vermischung des Wissens, der „Usability“, des „Handlings“ unterschiedlicher Altersstufen bei den beiden Vortragenden gegeben hat, haben sich auch die Konstellationen beim Publikum gestaltet.
Wir werden keinen Schritt mehr in Richtung Pre-Digitalisierung machen können, das sollten wir schön langsam einsehen und anerkennen. Wir können uns aber den Raum, der uns zur Verfügung steht, den digitalen Raum, selbst gestalten und mitgestalten. Und dieses Gestalten sollte für alle Altersgruppen gemeinsam und voneinander Lernend passieren.
Autor:
Christian „Kike“ Pöschl ist aus Kärnten, in der Kriminalprävention tätig, Radiomoderator, Musikfan, Konzertorganisator, Medien- und Kommunikationswissenschaftsstudent, Familienvater, Neugieriger…..