Das zentrale Element der Verschiebung zeigt sich in einer Krise an vielfältigen Stellen. Neben dem Effekt, dass die implementierte Angstursache verschoben und ebenso suggeriert wird, kommt es auch im Wertesystem zu immensen Tektoniken im Außen. Prinzipiell eine gute Gelegenheit für Dekonstruktion und Neuerschaffung. Doch wie spielt die Angst hier hinein?
Das Auftreten einer halbneuen Viruserkrankung ruft selbst unter Virologen unterschiedliche Empfehlungen für das vorbeugende Verhalten von Menschen hervor. Verhalten für was eigentlich? Einer Eindämmung des Virus, einer Herstellung der Herdenimmunität, einer Verringerung der Verbreitungsgeschwindigkeit? Je nach Zielsetzung kommen da durchaus andere Verhaltensregeln heraus. Eine interessante Herangehensweise, dass Verhaltensregeln gesetzlich verankert werden, ohne die entsprechende Zielsetzung zu benennen. Das schafft zumindest Abhängigkeiten und entbehrt der Koordinaten für die Orientierung.
Daneben existiert eine Vielzahl weiterer Sichtweisen, eine Viruserkrankung in der Bevölkerung zu betrachten. Medizinisch, Epidemiologisch, Psychologisch, Soziologisch und Biologisch sind hier nur eine schmale Auswahl. Alle Fachrichtungen werden in sich vielfältige Ansätze bieten und auch hinsichtlich der Perspektiven der Sparten gibt es diese. Und das ist gut so.
Was nutzt es beispielsweise einem traumatisierten Menschen, wenn er die Wahrscheinlichkeit von Infektionsketten reduziert, aber durch das Maskentragen retraumatisert und dadurch stark beeinträchtigt ist und schwer erkrankt?
Doch damit nicht genug, wird auf das gesamte Weltgeschehen die Covid-Brille aufgesetzt. Eine Brille der Erkrankung. Waren wir nicht eigentlich im Sinne der Pathogenese in der gesundheitsorientierten Perspektive? Einer Gesundheit, die nach WHO mehr als die Abwesenheit von Krankheit ist?
Die Sparkasse beispielsweise wirbt ebenso mit „besonderen Zeiten“ wie auch die Bundesliga. Damit wird nicht nur im Außen am Wertesystem gerüttelt, vielmehr findet die Ideologisierung einer Erkrankung statt. Mag sein, dass es ein Zeichen der Hilflosigkeit ist, mag sein, dass die bewusst getan wird, um eigene Interessen zu fördern.
Was geschieht, wenn das Wort „Covidiot“ entsteht? Eine Erkrankung in Kombination mit einer Bewertung von Menschen in diesem Zusammenhang. Ist dann jemand, der ohne Kondom Geschlechtsverkehr hat, ein AIDSpacko oder soll es künftig Grippedeppen geben?
Durch Stigmatisierung anderer entlastet sich die Herde, um die eigene Fehlbarkeit zu ertragen und zu überdecken. Ups, da war es so warm und stickig, dass ich doch mal an meine Maske gefasst habe. Sogar zweimal, ohne dazwischen Hände zu waschen.
Woher sollte ich ungefragt wissen, welche Lebenswelt der vermeintliche Covidiot hat, die ihn zu seinem Verhalten führen? Was seine Intensionen sind? Ob er nicht gerade sein bestes gibt?
Ist es der gewohnte Drang des Herdentier-Egos, schnell Lösungen herbei zu führen. „Wir haben es am besten gemacht, wir wissen, wie es geht“. Wieder die Wertung. Durch das besser-als-andere das eigene Defizit zu verwischen.
Neben der Verschiebung ist ein anderes Kernelement einer Krise, dass eben keine Lösung parat ist. Sonst wäre es nämlich keine Krise, sondern ein Problem oder etwas anderes.
Im Wesentlichen zeigt eine Krise in Intensivierung lediglich alles das, was da ist. Eine Aufforderung des Hinsehens. Und des Lernens. Ein Aufzeigen, dass viele tausend Jahre Patriarchat und Herdentier-Ego-Beförderung nun ins Wirkungslose laufen.
Es sei denn, aus einer Pandemie und daraus abgeleiteten Präventionsmaßnahmen werden ideologisch radikale Werte abgeleitet. Wer keine Maske trägt, tötet andere. Wer eine trägt, rettet automatisch Leben. Diesen Manipulationsmechanismus kennen wir aus der Geschichte. Und wir wissen, wohin er führen kann. Da spielt es zunächst mal keine Rolle, in welche Richtung die Ideologisierung geht. Es ist das Prinzip der Verschiebung, was manipuliert.
In der Suchtprävention beispielsweise ist längst bekannt, dass Abschreckung und Verteufelung wirkungslos sind. Wir wissen, dass es unterschiedliche Risikotypen gibt, die wir akzeptieren und dementsprechend begleiten können. Der rausch- und risikopädagogische risflecting®- Ansatz bietet hier adäquate Handlungsmodelle. Es ist die Vielfalt, die das Geschehen ausmacht. Und die Kenntnis über die eigene Grenze von Risiko und Gefahr. Wir fördern die Selbstverantwortung und in der Folge die Kollektivverantwortung.
Wo das Ego vorherrscht, geht es um Eigenverantwortung nach dem Herdenmotto „Hauptsache, mir geht es gut. Denn ich mache es richtig“. Wieder die Wertung, um aufzuwerten. Und dabei ist es lediglich ein „gut“, was im Außen suggeriert wird. Ego-Befütterung, die übrigens sehr leicht durch die Vorgabe ideologisierter Verhaltensweisen gepuscht wird.
Im Unterschied entsteht die wesentliche Selbstverantwortung in dem Bewusstsein, dass mein Selbst auch immer in allem anderen wohnt. Der integrale Ansatz. Ich kann in jedem Augenblick mein Verhalten und somit das gesamte Geschehen ändern. Indem ich mich selbst achte, begegne ich anderen mit Achtung und fühle mich empathisch in andere Lebenswelten ein. Das ist die Basis für kollektives Bewusstsein und Schwarmintelligenz. Was nicht bedeutet, dass du andere Verhaltensweisen damit gut finden musst. Nachvollziehen ist etwas anderes als befürworten, ermöglicht dir aber klare Konsequenzen und Parameter in deinem Verhalten.
Ist es im Wesentlichen nicht notwendig, andere zu ver- oder beurteilen, weil du weißt, dass es eine Vielfalt braucht, damit Entwicklung geschieht. Im Sinne der Dekonstuktion und der daraus entstehenden Erschaffung. Lausche deinem Wertesystem im Innern. In Liebe…
Nina Roth